Sturm 2

Mit einer gewissen „zitternden Selbstsicherheit“ trat ich an, um mich selbst zu entzaubern, obwohl ich das Gefühl hatte, daß etwas ganz Besonderes in der Luft lag. Andererseits stand ich vor der zweifelhaften Aufgabe Nichtrollen klar zu machen, daß sie eventuell auch nur eine Projektion seltsamer Götter waren, die sie zwar ihrem Selbstbewusstsein überließen, sie jedoch gleichzeitig in keiner Weise ernst zu nehmen gedachten.

Schlaudia, Gunthram, Senfjo und Nanana waren wie gewöhnlich ganz auf sich selbst bezogen, von ihren rein praktischen Belangen gefesselt, als sie dennoch erschienen um Ungewöhnliches zu erleben. „DuwillstunsheutealsodieZukunftzeigenhahaha?“ schnatterte Gunthram, Senfjo freute sich auf einen vergnüglichen Abend, Nanana versuchte nicht so genau hinzuschauen und Schlaudia amüsierte sich köstlich an ihrer natürlichen Überlegenheit – für ihre Kurzweil würde jedenfalls gesorgt sein! Nur Dingsbums war wieder einmal mit sich unzufrieden. Womit würde sich Trolli heute wieder wichtig machen und versuchen ihre natürliche Autorität zu überflügeln?!

Natürlich ergingen sich die erwachsenen Personen (alle außer mir, dem Troll) zunächst mal wieder in ihren unerlässlichen Erwachsenengesprächen, die sich mit den wahren Problemen des täglichen Lebens, wie Arbeit, Essen, Trinken, Klatsch und Partyplanung befassten, bevor ich mich endlich in den Vordergrund spielen konnte... „Ich glaube wir wollten heute herausfinden, was es vielleicht Gefährliches an der mir bevorstehenden Flugreise geben könne“, begann ich.

Obwohl mich ein schlechtes Gewissen plagte, die wahrhaft großen Leute am Austausch tiefgreifender Gedanken gehindert zu haben glaubte ich doch noch zu wissen, daß die kleine Versammlung hier vor ein paar Tagen noch sehr an meiner Blamage interessiert gewesen war. Das gab mir Kraft. Ich holte die Tarot-Karten aus ihrem Versteck und fing an sie zu mischen. Das Witchboard und die Kristallkugel hatte ich absichtlich in der Versenkung gelassen. Ich wollte die Freunde nicht zu sehr verschrecken!

Nanana ließ sich erweichen die Kartenstapel ein paar mal abzuheben. Dann lag endlich die ganze „Pracht“ vor uns auf dem Tisch. Eine einzige Kerze flackerte stimmungsvoll und erhellte die entstandenen Bilder unheimlich. „DaswürdejabedeutendaßeseinSchicksalgibt!“ eierte Guthram ein wenig brüskiert herum, aber Senfjo lachte versöhnlich „Ein Schicksal gibt es nicht, aber das hier macht trotzdem Spaß!“ Dingsbums fletschte die Zähne und grübelte düster vor sich hin.

Die Kartenfolgen und Kombinationen waren schnell erklärt: Der Flug würde für mich, das Weichei, eine Prüfung werden, aber die wahre Gefahr läge direkt auf dem Wasser! An dieser Stelle lachten wir alle herzlich, denn damit hatten sie, die Freunde erreicht was sie wollten: ich war ad absurdum geführt worden – durch mich selbst! Schlaudia war wieder die Schlauste von allen! „Du darfst halt nicht mit dem Schiff von hier aus nach Kalabrien fahren, haha, ich wüsste allerdings auch nicht wie du das machen solltest!“ Die anderen stimmten in großes Gelächter ein und ich, der kleine, überführte Troll, lachte fleißig mit. Würde alles gut gehen?

Der Abend war gerettet, Niemandem drohte nichts, alle hatten zu Essen und zu Trinken, das Leben war eitel Sonnenschein und die Freude am Leben dominierte die Tage und die Nächte der fleißigen und gewissenhaften Erdenbürger aufs Schönste. Niemand musste sich Sorgen machen! Dingsbums bestand darauf auch noch einmal, ganz allgemein, die Karten zu legen, damit man eindeutig sehen konnte wie einfach das war. Man brauche nur ein wenig Phantasie, dozierte die Frau ohne jede Vorstellungskraft und damit reihte sie die kleine Versammlung hinter sich und gegen mich ein, der sich ja ohnehin immer nur wichtig machen musste.

Ich ließ es damit gut sein und versuchte ab diesem Zeitpunkt die Wahrheit im Weinglas zu suchen, obwohl mir etwas schon seltsam deutlich auffiel: Im Zimmer bewegten sich Schatten die von den mittlerweile zur Aufrechterhaltung der romantischen Stimmung, 2 aufgestellten Kerzen nicht geworfen sein konnten. Die andern machte ich aber nicht mehr darauf aufmerksam. Sie hätten sich vielleicht totgelacht und rechtschaffen behauptet ich sei nun vermutlich endgültig verrückt geworden. Nichtsdestotrotz versuchte ich heimlich mit diesen Schatten Verbindung aufzunehmen und mir war als würde mich eine kalte Hand aus den Projektionen der Zeit berühren.

Dann lächelte ich in mich hinein – was man mir vermutlich als die pure Überheblichkeit auslegte. Sicher war ich von mir so eingenommen, daß ich nur noch über die normalen Menschen lächeln konnte. Was das für einen unüberlegt handelnden Troll für Folgen hat, erfuhr ich nach dem Zubettgehen. Dingsbums hatte sich nämlich vorgenommen disziplinarisch gegen meine niedere Gesinnung vorzugehen. Mein Bedürfnis sie in dieser Nacht noch zu küssen lief ins Leere.

Unmissverständlich gab sie mir zu verstehen, daß eben nur verantwortungsvoll handelnde Männer geküsst werden dürfen und keine überkandidelten Clowns die sich für Trolle mit übernatürlichen Fähigkeiten hielten. Sie sagte es nicht wortwörtlich, aber ich verstand schon worum es ihr ging: Um die Planbarkeit eines praxisorientierten Seins...planbar von ihr! Damit ging sie nahtlos in das so oft von ihr gepflegte infernalische Schnarchgebrüll über, welches die gesamte Bettstatt erzittern ließ und sogar das dickste Ohropax unwirksam machte... Mir war als feixten die Schatten an der Wand miteinander und ich fügte mich in eine weitestgehend schlaflose Nacht.

Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  15

© Alf Glocker


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Kommentare zu "Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  15"

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  15

Autor: Michael Dierl   Datum: 03.09.2022 9:25 Uhr

Kommentar: Moin Alf, ......infernalisches Schlafgebrüll hahahahaaaaa......ja, das hat man mir auch im Krankenhaus nachgesagt. Man würde mich bis in die Eingangshalle hören! Immerhin gute Unterhaltung für die Nachtschwestern! :-) Schöne Geschichte!

lg Michael

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  15

Autor: Alf Glocker   Datum: 03.09.2022 9:26 Uhr

Kommentar: Danke dir Michael!

LG Alf

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  15

Autor: Sonja Soller   Datum: 03.09.2022 11:58 Uhr

Kommentar: Leider muss ich auch hier feststellen, es ist nicht leicht ein Troll zu sein.
So sehr er sich bemüht, er wird irgendwie übersehen, nicht ernst genommen.
Schade!! Ich hoffe er bekommt noch seine große Stunde!!!!
Bin gespannt!!

Herzliche Grüße aus dem trolligen Norden, Sonja

Re: Mein Leben als Troll (surrealistischer Zeitroman)  15

Autor: Alf Glocker   Datum: 03.09.2022 12:55 Uhr

Kommentar: da bin ich auch gespannt...
Herzl Grü aus dem gespannten Süden
Alf

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